© Emidio Angelini - Righetti Collection Bern

Bei einem so vielseitigen und vielschichtigen Werk wie das von Giacomelli kann es für mich kein Lieblingsbild geben - ich liebe jedes einzelne Bild in der Sammlung.
— Claudio Righetti

Claudio Righetti Mit Mario Giacomelli im Musée de l’Elysée, Lausanne 1993 anlässlich der Vernissage seiner grossen Retrospekive.

Die Handschrift von Mario Giacomelli –

Einblick in die Sammlung Righetti an der photoSCHWEIZ 2025

Mario Giacomelli (1925 - 2000) gilt als der international bedeutendste italienische Fotograf. Im Laufe seiner Karriere entwickelte er einen persönlichen Zugang zur lyrischen Kraft der Fotografie und konzentrierte sich dabei auf wichtige Lebensthemen wie den Lauf der Zeit, die Erinnerung, die Erde, das Leiden und die Liebe.

Giacomelli entdeckte die Kamera als ideales Ausdrucksmittel, als er am Weihnachtstag 1953 am Strand von Senigallia in den italienischen Marken seine ersten Aufnahmen mit einer am Vortag gekauften Comet Bencini machte. Eines der Ergebnisse ist «L'approdo» (Die Landung), ein Bild des von einer Welle umspülten Ufers, das an einen bewegten Pinselstrich erinnert. Nach diesen ersten Versuchen entwickelt Giacomelli fotografische Serien in Form von Geschichten, die durch Bilder erzählt werden.

1953 tritt er mit Giuseppe Cavalli der Fotografengruppe Misa bei, 1956 der Fotografengruppe La Bussola. Ab Mitte der 1950er Jahre gewinnt Giacomelli erste Fotopreise. Er nimmt unter anderem an Gruppenausstellungen teil, von denen viele der humanistischen Fotografie der Nachkriegszeit gewidmet sind, wie die Ausstellung «Was ist der Mensch», die in Frankfurt beginnt und dann international wandert.

Trotz seines zurückgezogenen Lebensstils nimmt Giacomelli 1957 an der ersten Ausstellung italienischer Fotografie in den Vereinigten Staaten teil, die im George Eastman House in Rochester, New York, stattfindet. Dort zeigte er eine seiner ersten Landschaftsaufnahmen, die später weltberühmt werden sollten.

Lamberto Vitali stellt Mario Giacomelli 1960 auf der Triennale in Mailand vor, und der einflussreiche Fotokunsthistoriker und Kurator John Szarkowski zeigt «Scanno», einen der bekanntesten Fotozyklen Giacomellis, gleich nach dessen Ankunft 1963 im Museum of Modern Art in New York. Bis heute ist Giacomelli in der ständigen Ausstellung des MoMa vertreten.

Bereits zuvor, 1962, hatte Otto Steinert Fotografien von Giacomelli in seine «Subjektive Fotografie» aufgenommen, und Karl Pawek zeigte Fotografien von Giacomelli sowohl in der Zeitschrift Magnum als auch in seiner «Totalen Fotografie». Bill Brandt und Mark Haworth-Booth wählten Werke von Giacomelli für ihre bahnbrechende Ausstellung «The Land» 1975 im Victoria and Albert Museum in London aus. In den 1970er und 1980er Jahren avancierte der Autodidakt Mario Giacomelli zu einem der einflussreichsten Fotografen der internationalen Fotografie- und Kunstszene. So erhielt er 1995 auch den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie. Heute sind seine Werke in bedeutenden Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt vertreten – vom MoMa, dem Getty Museum über die Sammlung Ludwig, der Sammlung des Musée de l’Elysée in Lausanne und der Fotostiftung Schweiz (um nur einige wenige zu nennen).

Unbeeindruckt davon änderte Giacomelli weder seine Gewohnheiten noch sein Verhalten: Er blieb sein Leben lang in Senigallia. Vielleicht gibt es deshalb auch zu seinem 100. Geburtstag noch so viel über ihn zu entdecken, über seine unvergleichliche Arbeitsweise, die Komplexität seines Denkens und die grosse Vielfalt seines fotografischen Werks. Niemand hatte ein besseres Gespür für Linien, für Filigranität, für Oberflächen und Strukturen, für die Vielfalt der Weiss-, Grau- und Schwarztöne in der Natur. Das macht sein Werk in jeder Hinsicht einzigartig.